AUB Gesichter & Geschichten: Interview mit PD Dr. Tim Herberger

Ein Interview mit PD Dr. Tim Herberger über die Resilienz von Unternehmen, die Rolle wirtschaftlicher Expertise in einer globalisierten Welt und die Zukunft der Lehre.

Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Karriere in der Wirtschaftswissenschaft und Hochschullehre zu entscheiden?

Ich war vom ersten Tag meines Studiums vom universitären Leben und der speziellen Aura, die eine Universität/Hochschule umgibt, fasziniert und arbeitete schon früh als Tutor und studentische Hilfskraft an verschiedenen Lehrstühlen. Mir machte es großen Spaß die Ausbildung junger Menschen (damals meinen Mitstudierenden in der Rolle als Tutor) zu begleiten und im Rahmen von Forschungsprojekten Neues zu entdecken und hier zu unterstützen. Daher war für mich schon zu Beginn meiner Promotion eigentlich klar, dass ich an der Uni bleiben möchte und dort meine “Berufung” sehe. Interessanterweise hat eine Freundin von mir diesen Weg schon für mich während meines Studiums vorhergesehen und mich in diesem Karriereweg bestärkt (Danke Simone!).

Welche Stationen in Ihrer akademischen Laufbahn haben Sie besonders geprägt?

Naheliegenderweise war das – mit allen Höhen und Tiefen die in einer Promotionsphase nun mal existieren – mit Sicherheit meine Promotionszeit am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg; ich habe unglaublich viel hier gelernt und dafür bin ich meinem Doktorvater und dem Mentor meiner Habilitation Herrn Univ.-Prof. Dr. Andreas Oehler unglaublich dankbar. Aber auch meine Zeit als Studierender an der Universität St. Gallen (insb. bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Urs Fueglistaller) war für mich sehr prägend.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich Unternehmensfinanzierung, Corporate Governance und der Digitalen Transformation. Welche aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen halten Sie für besonders relevant?

Meiner Meinung nach wird die zukünftig wesentliche Schlüsselkompetenz für Unternehmenslenker:innen darin liegen sowohl in organisatorischer (Governance) als auch in finanzwirtschaftlicher Hinsicht eine starke Resilienz gegenüber Krisen und Unwägbarkeiten für ihre Unternehmen zu entwickeln, da hieraus – auch unabhängig von dem eigentlichen Produkt und/oder Dienstleistung – ein Wettbewerbsvorteil gehoben werden kann, der nur schwer von Wettbewerbern zeitnah zu kontern sein wird. Die Digitalisierung von Prozessen kann hier ein wichtiger zusätzlicher Baustein sein.

Wie beeinflussen Ihre Forschungsergebnisse Ihre Lehre an der Andrássy Universität?

Ich bin ein großer Befürworter von studentischer und forschungsbasierter Lehre; das bedeutet, dass ich auch in meinen regulären Lehrveranstaltungen Studierende immer über den Tellerrand aktiv rausschauen lassen möchte. Wenn man es sportlich bezeichnen möchte, ist Forschung für mich eine “Mitmach-Disziplin”. Selbstverständlich berichte ich daher im Rahmen meiner Lehrveranstaltungen auch immer aus meinen aktuellen Forschungsprojekten oder von Projekten von Kolleginnen und Kollegen, die mich sehr beschäftigen, um Studierende für die akademische Karriere zu begeistern und das geht am besten, wenn man interessierte Menschen an seiner eigenen Arbeit teilhaben lässt, damit sie sich einen besseren und auch ehrlichen Eindruck verschaffen können, denn Forschung und Wissenschaft heißt durchaus auch Niederlagen einstecken zu müssen.

Was motiviert Sie, Ihre Expertise an Studierende weiterzugeben?

Die Wissbegierigkeit und die Diskussionslust von Studierenden ist meine größte Antriebsfeder.
Welche Kompetenzen und Fähigkeiten möchten Sie den Studierenden vermitteln?
Die Fähigkeit und Kompetenz ein umfangreiches theoretisches Rahmenwerk, gepaart mit einem gut bestückten Analysekoffer für praxisrelevante Problemstellungen einsetzen zu können und dies vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Verantwortung zu tun, sind für mich die Schlüssel zum Erfolg.

Gibt es spezifische Lehrmethoden oder Ansätze, die Sie besonders wichtig finden, um wirtschaftswissenschaftliche Inhalte praxisnah zu vermitteln?

So wie sich die Welt in den letzten Jahrzehnten massiv in vielen gesellschaftlich relevanten und technologischen Bereichen verändert hat, hat sich selbstverständlich auch das Verständnis einer effektiven und effizienten Lehr-Lern-Umgebung geändert. Ich habe hierzu als Lehr- und Forschungskraft ein klares Verständnis: “From the Sage on the Stage to the Guide on the Side”. Gepaart wird dies mit Blended-Learning Elementen und klarem Fokus auf Arbeiten mit Fallstudien.

Warum sind wirtschaftliche Kenntnisse für zukünftige Führungskräfte in internationalen Organisationen und globalen Unternehmen unverzichtbar?

Man muss nicht zwingend Wirtschaftswissenschaften studiert haben, um eine erfolgreiche Führungskraft in einem Unternehmen zu sein, insb. wenn es um Leadership-Skills geht, ist ein erfolgreiches Führungskräfteverhalten auch eine Frage der Persönlichkeitkeit. Meines Erachtens braucht eine Führungskraft nicht nur sehr gute analytische Fachkompetenz, sondern sie führt auch Menschen und das bringt mich zur Kompetenz der emotionalen Intelligenz, die ich als noch wichtiger einschätze, als eine hohe Wirtschaftskompetenz.

Welche Bedeutung hat wirtschaftliches Fachwissen für politische Entscheidungsträger in einer zunehmend vernetzten Welt?

Ein großes Problem meiner Meinung nach ist, dass Politiker:innen gerade über zu wenig ökonomische Fachkenntnis verfügen…wirtschaftlicher Erfolg und insb. auch unter den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen betrachtet wird über Wahlzyklen hinweg geschrieben und erreicht. Das heißt, Politiker denken häufig zu kurzfristig meiner Meinung nach…das tun Unternehmenslenker:innen allerdings zum Teil leider auch. Hier wurde aber durch erst langfristig wirkende Bonusentlohnungssysteme für Führungskräfte in jüngerer Zeit eine Verbesserung erzielt.

Welche wirtschaftlichen Trends und Herausforderungen sollten Studierende der AUB besonders im Blick behalten?

Selbstverständlich ist Nachhaltigkeit ein wichtiger aktueller Trendfaktor, allerdings müssen wir uns wohl mittelfristig wieder auf weniger internationale Vernetzung und mehr nationale und begrenzt internationale Vernetzung einstellen und hier frühzeitig wichtige Weichenstellungen schaffen, um Europa als wichtigen Spieler der Weltwirtschaft weiter “am Brett zu haben”. Ich bin zwar alles andere als ein Freund von “Verinselung” und nationalen Tendenzen und schon gar nicht von Zöllen, allerdings geht der Trend eindeutig dorthin und man muss diese Entwicklung daher in sein eigenes Entscheidungskalkül miteinbeziehen.

Die Andrássy Universität Budapest startete im September den neuen Bachelor-Studiengang „Internationale Beziehungen“. Welche wirtschaftlichen Kenntnisse sollten Studierende mitbringen oder während ihres Studiums erlernen, um international erfolgreich zu sein?

Wir freuen uns aus Sicht des wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichs sehr, dass wir endlich mit Bachelor-Programmen an der AUB starten und mit dem Bachelor-Studiengang Internationale Beziehungen einen so erfolgreichen “Eisbrecher” in unseren Reihen haben. Selbstverständlich freuen wir uns auch sehr in den Wirtschaftswissenschaften, dass wir demnächst auch mit einem eigenen wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Programm das Portfolio der AUB bereichern werden. Komplettiert soll dies zukünftig auch mit einem Executive MBA Programm werden, das explizit für Berufstätige konzipiert sein wird.

Welche Bedeutung haben wirtschaftliche Aspekte für globale Entscheidungsprozesse und wirtschaftspolitische Strategien?

Wirtschaftliche Entscheidungskriterien sind nicht nur quantitativ ausgerichtet, sondern können durchaus auch qualitativer Natur sein; insb. in politischen Situationen sind gerade qualitative Faktoren zu berücksichtigen, um eine Harmonisierung verschiedenster Stakeholderinteressen zu erzielen. Denkt man international und global wird die Komplexität weiter erhöht, sich hier nur einem Zahlen- und Kennzahlenfetisch hinzugeben, greift meines Erachtens daher deutlich zu kurz. Die Wirtschaftswissenschaft ist letztlich eine Gesellschaftswissenschaft und Gesellschaften lassen sich nicht gänzlich in Zahlen charakterisieren.

Welche Fähigkeiten oder Qualifikationen sind für eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft besonders wichtig?

Analytisches Denken, den Ehrgeiz sich inhaltlich immer weiter zu entwickeln und Durchsetzungsstärke mittels kritieriengeleiteter Argumentation.

Welche Ratschläge würden Sie Studierenden geben, die sich für Unternehmensführung, Finanzmärkte oder Wirtschaftspolitik interessieren?

Neben einer fundierten wissenschaftlich geprägten Ausbildung und somit auch dem Kennenlernen des umfangreichen Theorierahmens sind Praktika unerlässlich.

Gibt es Bücher, Vorträge oder Persönlichkeiten, die Sie als Inspiration für Studierende empfehlen würden?

Als Persönlichkeit hat mich sehr durch seine damalige Weitsicht Alfred Herrhausen (Ex-Vorstandsvorsitzener der Deutschen Bank) fasziniert. Sein Blick für Entwicklungsländer und deren finanzielle Stabilität war für die 80er Jahre revolutionär. Ein großer Fan bin ich aus Sicht des Finanzwirtschaftlers und Ökonometrikers auch von dem Buch “Fraktale und Finanzen” von Benoît Mandelbrot.

Wenn Sie noch einmal als Studierender anfangen könnten, was würden Sie anders machen?

Ich würde mich wohl noch mehr dem Erlernen weiterer Fremdsprachen widmen. Verhandlungssicheres Englisch ist ein Must-Have, aber weitere Sprachen sind echte Zusatzqualifikationen. Ich würde vermutlich auch nochmal ein weiteres Auslandssemester machen; z. B. gerne Italien oder Kanada.

Gibt es eine besondere Botschaft, die Sie den Studierenden der AUB mit auf den Weg geben möchten?

Eine gute Ausbildung kann niemand einem nehmen und ist die Basis für ein wirtschaftlich sicheres Leben.

PD Dr. Tim HERBERGER

AUB Gesichter & Geschichten: Interview mit PD Dr. Tim Herberger

Dr. habil. Tim Alexander HERBERGER

Leiter des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Entrepreneurship, Finanzwirtschaft und Digitalisierung;, Studiengangsleiter M.Sc. Management and Leadership

Akademische Laufbahn und Forschungsschwerpunkte

PD Dr. Herberger ist ein versierter Wirtschaftswissenschaftler und Hochschuldozent. Er studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und promovierte an der Universität Bamberg, wo er auch sich später habilitierte. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Unternehmensfinanzierung, empirische Kapitalmarktforschung, Corporate Governance und die Digitale Transformation, wobei er einen besonderen Fokus auf die Entwicklung von Resilienz gegenüber Krisen legt.

Lehre und Engagement

Als Verfechter der forschungsbasierten Lehre verfolgt PD Dr. Herberger den Ansatz des „Guide on the Side“, um Studierende aktiv in aktuelle Forschungsprojekte einzubinden und ihnen ein umfangreiches theoretisches Rahmenwerk sowie einen praxisrelevanten Analysekoffer zu vermitteln.

Expertise

Neben seiner akademischen Tätigkeit legt er Wert auf die Vermittlung wichtiger Schlüsselkompetenzen wie analytisches Denken und Durchsetzungsstärke. Persönlich schätzt er die emotionale Intelligenz von Führungskräften als besonderen Bestandteil von Führungsstärke ein.

Bild: Anne Zarnke

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